Auf Trüffeljagd in Istrien

Nur ein paar Sonnenstrahlen dringen durch die dichten Kronen der Eichen. Dennoch ist es brütend heiß, hier im Herzen der istrischen Halbinsel im Norden Kroatiens. Giza scheint die hochsommerliche Hitze nicht zu stören. Tapsig und ziellos hüpft die drei Monate alte Mischlingshündin durch den Laubwald – noch kennt sie ihre spätere Aufgabe nicht. Lila dagegen schon: In den letzten Jahren hat das Labradorweibchen gelernt, Trüffeln zu erschnüffeln, die teuersten Speisepilze der Welt.

„Sie wird immer besser“, sagt Trüffeljäger Sanjin zu einer Handvoll Touristen aus Deutschland und Belarus, die er im Auftrag des Familienunternehmens Karlić Tartufi mit auf die „Jagd“ nimmt. Als hätte Lila das Lob verstanden, fängt sie mit den Vorderläufen unter einem Baum an zu scharren. In ein paar Sätzen springt Sanjin den steilen Hang hinab und schiebt die Hündin sanft beiseite. Von Trüffeln keine Spur. Oder doch? Mit seinem Spaten hebt der 28-Jährige vorsichtig die oberen Zentimeter des Waldbodens ab. Zum Vorschein kommt ein walnussgroßes, schwarzes Exemplar. Schrumpelig, hässlich und perfekt getarnt.

Nichts deutet daraufhin, dass genau an dieser Stelle Trüffeln wachsen, denn sie bilden ihre Fruchtkörper ausschließlich unterirdisch aus. „Andere Pilze zeigen sich“, sagt Sanjin. „Trüffeln nicht. Das macht es so kompliziert, sie zu finden.“ Zum Glück verrät sie ihr charakteristischer Duft, zumindest den vierbeinigen Helfern der Trüffeljäger. Selbst die weißen Trüffeln, die bis zu einem halben Meter tief in der Erde gedeihen, können gut ausgebildete Trüffelsuchhunde erschnüffeln. Aber wonach riecht die Delikatesse eigentlich? Nach einer unvergleichlichen Mischung aus Pilz, feuchtem Laub, Erde, Moos, Nüssen, Honig, Heu, Knoblauch, Kakao und Moschus. „Jede Trüffel duftet individuell“, schwärmt Sanjin. „Mal mehr nach Moos, mal mehr nach Honig oder Erde. Keine ist wie die andere.“

Zur Belohnung für ihren Fund bekommt Lila Streicheleinheiten und ein Leckerli, das sie dankbar verschlingt. Die junge Giza darf an der Trüffel und dem Loch im Waldboden ausgiebig riechen, schließlich soll sie in zwei bis drei Jahren die edlen Knollen selbständig finden. Den Geruch kennt und liebt sie seit ihrer Geburt – ihre Mutter duftete auch nach Trüffeln. „Um die Hunde frühzeitig auf die Pilze zu konditionieren, reiben wir die Zitzen mit einem Trüffelprodukt ein“, erklärt Sanjin. „So nehmen die Welpen den Geruch quasi mit der Muttermilch auf.“

Der Wald, in dem Sanjin mit seinen Gästen unterwegs ist, gehört seit Generationen der ortsansässigen Familie Karlić. Die hat in den letzten Jahrzehnten ein kleines Trüffelimperium in Paladin bei Buzet aufgebaut. „Das Dorf hat 44 Einwohner, aber 100 Hunde“, erzählt Sanjin. „Diese Zahlen verraten die Bedeutung der Trüffeln für die Menschen hier.“ In der inzwischen dritten Generation lebt Familie Karlić vom Trüffelsammeln und vom Vertrieb der Edelpilze in allen erdenklichen Variationen: mit Käse, Wurst und Butter. Als Öl, Paste, Salz, Honig oder Likör. Mittlerweile sind 200 Sucher für sie im Einsatz, um mehr als 500 Geschäfte und Restaurants auf der ganzen Welt zu beliefern.

Der Großvater hatte vor rund 50 Jahren mit dem Trüffelgeschäft begonnen, als dieses in Istrien noch gar nicht in Mode war. Ganz im Gegenteil: Während Trüffeln in Frankreich und auf der italienischen Seite der Adria als Delikatesse unter Feinschmeckern galten, verfütterten die istrischen Bauern die mehr oder weniger zufällig entdeckten, unansehnlichen Knollen an ihre Schweine.

Zu den Trüffelpionieren in Istrien zählt neben Familie Karlić auch ein gewisser Giancarlo Zigante. In den 1970er-Jahren bildet der gelernte Dreher seine Hunde zu Trüffelspürnasen aus, eröffnet ein Restaurant und gründet eine eigene Fabrik. „Dass unsere Trüffeln weltberühmt geworden sind, verdanken wir einem glücklichen Zufall“, sagte Sanjin und meint damit den 2. November 1999. An diesem Tag entdeckt Zigante zusammen mit seiner Hündin Diana auf der Suche nach weißen Trüffeln ein Prachtexemplar – 1,3 Kilogramm schwer und bis dato die größte, jemals gefundene weiße Trüffel. Sie beschert ihrem Finder den Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde, den Beinamen „Trüffelkönig“ und die bis heute unangefochtene Position als Marktführer.

„Eine gut ausgebildete Suchhündin findet bis zu 100 Kilogramm der begehrten Speisepilze in ihrem Arbeitsleben“, sagt Ivana Karlić, die zur dritten Generation des Familienunternehmens gehört.

Die Schlagzeilen rund um die Rekordtrüffel katapultieren nicht nur Zigante, sondern die ganze Region in den Gourmethimmel. Starköche und Feinschmecker aus aller Welt interessieren sich plötzlich für istrische Trüffeln, die qualitativ mit Spitzentrüffeln aus Italien und Frankreich durchaus konkurrieren können. Aufgrund der steigenden Nachfrage spezialisieren sich immer mehr einheimische Bauern auf die Spezialität. Je nach Qualität und Größe erzielen schwarze Trüffeln zwischen 300 und 2000 Euro pro Kilogramm, weiße Exemplare sind das Zehnfache wert. „Manchmal suchst du stundenlang und findest nichts“, sagt Sanjin. „Der Nervenkitzel ist aber, dass du jederzeit das ganz große Los ziehen kannst.“

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Die Chancen, fündig zu werden, stehen nicht schlecht. In der dunkelgrauen Erde der hügeligen Laubwälder rund um Buzet und Motovun sowie im Mirna-Tal herrschen ideale Bedingungen für Trüffeln, die dort in Symbiose mit ihren Wirtspflanzen – z. B. Eichen, Hainbuchen oder Haselsträuchern – leben. Während schwarze Sorten das ganze Jahr über in den Bergen gedeihen, wachsen die viel kostbareren weißen Trüffeln nur zwischen September und Januar und ausschließlich im Tal. Letztere sind schwerer zu finden, saisonal bedingt seltener und viel aromatischer als ihre schwarzen Schwestern.

Wer auf Trüffeljagd geht, braucht entweder einen eigenen Wald wie die einheimischen Familien – oder eine Lizenz. Mit 250 Euro jährlich kann man sich den Eintritt in ein bestimmtes Trüffelterritorium erkaufen. Auch Familie Karlić erwirbt jährlich mehrere Lizenzen für das Mirna-Tal, um dort nach den begehrten weißen Trüffeln suchen zu können. Die große Kunst besteht darin, die sogenannten Positionen – ganz persönliche Fundstellen, die sich als besonders trüffelreich entpuppen – selbst ein Jahr später im Dickicht wiederzufinden.

Doch auch wenn der Trüffeljäger vielversprechende Positionen kennt, heißt es nicht, dass er die dort verborgenen Trüffeln auch entdeckt. „Die Pilze können sich in einem Radius von bis zu zwei Meter rund um einen Baum befinden“, erklärt Sanjin. Während schwarze Trüffeln knapp unter der Erde wachsen, können sich weiße Trüffeln bis zu 50 Zentimeter tief im Boden verbergen. „Ohne die Hunde müssten wir alles umgraben – und würden das feine Pilzgeflecht zerstören.“

Radmila Karlić (oben) hat die Liebe zu den Trüffeln von ihrem Vater geerbt. Schon im Alter von zehn Jahren war sie mit ihm und den Suchhunden auf der Trüffeljagd. Diese Leidenschaft wurde zur Existenzgrundlage: 1994 gründete sie zusammen mit ihrem Mann das Familienunternehmen Karlić Tartufi.

So aber buddelt Sanjin ganz gezielt dort, wo seine Hündin anfängt zu scharren. Die weißen Trüffeln duften so intensiv, dass er nur an der Erde, die an seinem Spaten klebt, riechen muss. „Ich weiß dann sofort, ob sich das Graben tatsächlich lohnt.“ Meist lohnt es sich, denn die Hunde irren sich so gut wie nie.

Alle Trüffeljäger hoffen, einen „Joker“ zu finden. Als solcher gilt eine Trüffel, die 100 Gramm oder mehr wiegt. 5000 Euro bringt eine einzige solche weiße Trüffel dem Finder. Außerdem gilt: Je besser der Zustand der Trüffel ist, desto höher ist ihr Preis. „Ich muss daher aufpassen, dass Lila die Trüffel nicht mit ihren Krallen beschädigt, sie anknabbert oder gar auffrisst. Da können schnell ein paar hundert Euro im Maul auf Nimmerwiedersehen verschwinden.“

Wären Schweine da nicht die bessere Alternative? Ihr Geruchssinn übertrifft selbst die feinen Nasen von Hunden bei Weitem. Außerdem sind geschlechtsreife, weibliche Schweine ganz verrückt nach den Pilzen, denn deren Duft hat große Ähnlichkeit mit dem Sexualduftstoff eines Ebers. Sanjin winkt ab: „Stellen Sie sich vor, dass ich eine ausgewachsene, 200 Kilogramm schwere Sau in den Kofferraum hieven muss, um sie zur Trüffelsuche mitzunehmen“, sagt er zu seinen Jagdbegleitern, die bei dieser Vorstellung grinsen. „Und wie soll ich die liebestolle Sau daran hindern, die Trüffeln zu fressen?“

Auch weil die Säue den Boden zertrampeln und mit ihren Nasen ungestüm durchwühlen, werden sie heute nicht mehr zur Trüffeljagd verwendet. In Italien ist ihr Einsatz schon seit 1982 verboten. Labradore, Deutsch Kurzhaar und der italienische Lagotto Romagnolo eignen sich da deutlich besser. Manchmal sind es auch Mischlinge, immer jedoch Weibchen, die zu Trüffelsuchhunden ausgebildet werden. „Wir haben mit Hündinnen viel bessere Erfahrungen gemacht“, erklärt Sanjin. „Sie bleiben konzentrierter bei der Sache und sind leichter zu erziehen.“

Kristina von Karlić Tartufi und ihre Kollegin tischen für die Gäste Trüffeln in allen Variationen auf: Als Pasta, als Rührei, als Dessert. „Wenn eine Trüffel ausgegraben wird, hält sie etwa drei Tage ihr Aroma“, erzählt Kristina, „danach verliert sie jeden Tag etwa zehn Prozent an Geschmack.“

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Europa noch 2000 Tonnen Trüffel jährlich ausgegraben. Heute ist es nur noch rund ein Zehntel. Bis zu 15 Tonnen davon kommen aus Istrien. Um den Bestand nicht weiter zu gefährden, dürfen maximal drei Hunde einen Trüffeljäger begleiten. Die Ausbeute ist auf ein halbes Kilogramm pro Sorte und Tag festgelegt. „Das ist gut so“, findet Sanjin. „Die Natur soll nicht hemmungslos ausgebeutet werden.“ Das Areal stehe zwar mittlerweile unter Naturschutz, sei aber in den Jahrzehnten davor deutlich geschrumpft. Zum einen durch Abholzung, zum anderen durch den Bau des Butoniga-Stausees. „Natürlich ist der See wichtig für die Süßwasserversorgung Istriens“, meint Sanjin. „Allerdings liegt auf dem Seegrund das einst beste Trüffelterrain. Mein Großvater schwärmt noch heute davon.“

Im Trüffelgebiet bei Motovun gibt es derzeit ungefähr 1000 registrierte und zwei bis dreimal so viele illegale Sucher. Noch schlimmer als die Tatsache, dass es diese überhaupt gebe, sei, dass sie die Fundstellen häufig nicht fachmännisch wieder zudecken würden. „Manchmal hinterlassen sie tiefe Löcher aus Unerfahrenheit, manchmal aus Zeitdruck, weil sie nicht entdeckt werden wollen“, sagt Sanjin. „Die Pilze können dann nicht nachwachsen – der ökologische und ökonomische Schaden ist enorm!“

Und wo befinden sich aktuell die besten Positionen? „Wenn sie dort wären“ – Sanjin zeigt nach links und grinst – „würde ich sogar meinen besten Freund in die entgegengesetzte Richtung schicken.“

Die drei Monate alte Giza ist Hoffnungsträgerin für die Zukunft. Sie begleitet Sanjin regelmäßig in den Wald, um nicht nur von ihm, sondern auch von den älteren Hündinnen zu lernen. Nach ungefähr drei Jahren stellt sich heraus, wie gut sie sich tatsächlich für die Trüffelsuche eignet.