20.09.2022

RUM UND REVOLUTION

Bacardí und Havana Club stehen mit ihrem Rum für lässiges Karibikflair – und doch bekämpfen sie sich mit harten Bandagen. Es geht um Markenrechte, Marktanteile und Politik.

Rum Kuba

„Come on over, have some fun

Summer sun - it’s time to play

Doing things that feel so good,

Bacardí sets the mood –

Bacardí feeeeeling ...”

Wer einmal diesen Song aus der Bacardí-Werbung von 1988 gehört hat, wird ihn so schnell nicht wieder vergessen. Es ist nicht zuletzt dieser Werbeclip, durch den es Bacardí gelang, weltweit mit relaxtem Karibik-Feeling gleichgesetzt zu werden. Ja, der Refrain des Werbesongs ist sprichwörtlich geworden: Bacardí-Feeling!

Doch ganz so relaxt wie sich Bacardí in seiner Werbung gibt, ist das Unternehmen nicht immer – vor allem nicht, wenn es um seinen Mitbewerber Havana Club und Kuba geht. Da wird das Feeling schnell zum Fighting. Und das hat historische Gründe.

Vom Krämer zum „König des Rums“

Bacardí wurde als „Bacardí y Bouteiller“ 1862 in Santiago de Cuba gegründet – von zwei Brüdern aus Katalonien, die sich als Lebensmittelhändler in der spanischen Kolonie versuchten, und einem bankrotten französischstämmigen Rumproduzenten aus Kuba. Einer der Brüder, Don Facundo Bacardí y Mazó, brachte die Firma bald in seinen alleinigen Besitz. Mit dem von ihm entwickelten milden, weißen Rum erzielte er großen Erfolg. Die Qualität war so hervorragend, dass Don Facundo bald nur noch „El Rey de los Rones“ – „Der König der Rums“ – genannt wurde.

"Der König des Rums": Don Facundo Bacardí y Mazó (1814-1886). Mit Erlaubnis der Bacardi GmbH Hamburg, FischerAppelt, relations GmbH, cs@fischerAppelt.de

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhundert wuchs das Unternehmen sprunghaft – nicht zuletzt wegen der Prohibition in den USA, wo Alkohol von 1920 bis 1933 verboten war. Kuba wurde in dieser Zeit zur Anlaufstelle von Alkohol- und Wohlstandstouristen aus den USA und der Rumabsatz ging durch die Decke.

Nachzügler Havana Club

Die Wurzeln von Bacardís Konkurrent Havana Club reichen zwar auch bis ins 19. Jahrhundert zurück, als der Baske José Arechabala nach Kuba auswanderte und dort 1878 eine Rumdestillerie gründete. Doch erst im Jahr 1935 wurde der Rum unter dem Markennamen Havana Club produziert. Im selben Jahr eröffnete in Havanna die beliebte Havana Club Bar, gleichzeitig begann Havana Club mit dem Rumexport in die USA und ließ dort Markenrechte eintragen.

In der Bar Floridita in Havanna geht es meist hoch her. Immer mit dabei: Ernest Hemingway - wenn auch nur als Bronzefigur am Tresen (rechts hinten im Bild).

So unterschiedlich die Entwicklung der beiden Rum-Destillerien verlief, so wurden sie doch auf gleiche Weise von der kubanischen Revolution 1959 getroffen. Während sich die Bacardís allerdings samt Rumrezepturen und Geld in das US-amerikanische Außengebiet Puerto Rico retteten und dort weiter Rum produzierten, flüchteten die Nachkommen Arechabalas in die USA, wo sie nicht mehr weiter im Rumgeschäft tätig waren.

Rum wird zur Staatssache

Nachdem im Oktober 1960 alle privaten Unternehmen in Kuba verstaatlicht worden waren, wurde die Rumproduktion ins Staatsunternehmen Cubaexport eingegliedert. Kuba entwickelte eine neue Rumrezeptur und produzierte nun selbst in großem Stil unter dem Namen Havana Club. Aufgrund des Wirtschaftsembargos, das die USA nach der Revolution gegen Kuba verhängt hatten, konnte das Land allerdings keinen Rum in die USA exportieren. Stattdessen ging das hochprozentige Getränk vor allem in die Staaten des Warschauer Paktes, insbesondere in die Sowjetunion.

Ganz anders bei Bacardí: Das Familienunternehmen produzierte am Sitz in Puerto Rico, gründete Dependancen auf den Bahamas, in Florida und auf den Bermudas und konnte seinen Rum in den USA, dem weltweit größten Markt für dieses Getränk, verkaufen. Das und ein geschicktes Marketing sorgten dafür, dass Bacardí zum größten familiengeführten Spirituosenhersteller der Welt wurde.

Bacardí gegen Kuba

Gleichzeitig engagierte sich das Unternehmen auch politisch. Das hatte durchaus Tradition. Ein Sohn des Gründers von Bacardí, Emilio Bacardí y Moreau, setzte sich Ende des 19. Jahrhunderts für die Unabhängigkeit Kubas von Spanien ein, was ihm eine vierjährige Verbannung einbrachte. 1903 wurde er Bürgermeister von Santiago de Cuba und sorgte für einen Aufschwung der Stadt.

Die Bacardís unterstützten zunächst auch den Kampf der Revolutionäre um Fidel Castro gegen den Diktator Batista und bejubelten den Sieg der Revolution. Doch nachdem Castro alle privaten Unternehmen auf Kuba enteignete, richtete sich das politische Engagement der Familie gegen das sozialistische Kuba. Die Bacardís versuchten, Stimmung gegen den Staat zu machen – und das ging bis hin zur Unterstützung von Konterrevolutionären, Umsturzversuchen und Mordkomplotts gegen Fidel Castro persönlich. Insbesondere der ehemalige Firmenchef Pepín Bosch agierte hier als echter Hardliner. Er gründete 1964 die Exilregierung von Kuba in Florida als politische Organisation, unterstützte aber zuvor auch handfeste paramilitärische Aktionen und Terroranschläge in Kuba, u. a. in Zusammenarbeit mit der CIA, wie Hernando Calvo Ospina in seinem Buch „Im Zeichen der Fledermaus“ ausführlich nachzeichnet.

Kampf um den amerikanischen Markt

Im Lauf der Zeit kühlte diese Feindschaft gegen Kuba etwas ab und verlegte sich auf das Feld der Rivalität mit Havana Club. Nachdem das französische Unternehmen Pernod Ricard nach dem Ende des Ost-West-Konflikts ab 1993 den internationalen Vertrieb von Havana Club übernommen hatte, stieg der Absatz des Rums weltweit stark an.

Die Familie Arechabala verkaufte die Marke Havana Club 1995 an Bacardí, obwohl es alles andere als klar war, ob sie überhaupt noch im Besitz der Markenrechte war. Das war der Auftakt einer jahrzehntelangen gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Bacardí und Pernod Ricard, in deren Verlauf Bacardí massiven Einfluss auf die amerikanische Politik nahm, um seine erworbenen Markenrechte durchzusetzen.

Man boxte Gesetze wie den Helms-Burton Act, der auch als Bacardi Law in die US-Rechtsgeschichte einging, durch. Er sieht vor, dass US-Firmen juristisch gegen Unternehmen vorgehen können, die enteigneten Besitz auf Kuba nutzen.

1998 wurde dann ein weiteres Gesetz namens Omnibus Appropriations Act erlassen, dessen Section 211 den Eintrag und Verlängerung von Markenschutzrechten in den USA verbietet, die früher einmal enteigneten Kubanern gehört haben. Sogar die Europäische Union und die Welthandelsorganisation WTO schalteten sich in den Streit ein, der bis heute andauert.

Diese juristischen Auseinandersetzungen konnten Havana Club allerdings nicht nachhaltig schaden. Zwar ist der amerikanische Markt dem Unternehmen weiterhin verschlossen – aber heute ist Havana Club der fünftgrößte Rumproduzent der Welt und das Unternehmen exportiert seine Waren in mehr als 125 Länder weltweit.

Rum im Museum

Vor Ort kann man sich seit der Jahrtausendwende im Havana-Club-Museum in Havanna über die Geschichte der Rumherstellung auf Kuba informieren. Auch die einzelnen Schritte der Rumproduktion werden dargestellt – vom Zuckerrohr über die Herstellung von Melasse und den Destillationsvorgang bis zur Lagerung in Weißeichenfässern und dem Blending, also der Vermischung unterschiedlicher Rums aus verschiedenen Fässern und Jahrgängen zum Endprodukt. Und in einer dem Museum angeschlossenen Bar kann man die unterschiedlichen Rumsorten probieren, die sich vor allem durch ihr Alter – 3 Jahre, 7 Jahre oder noch älter – unterscheiden.

Und selbst ein Bacardí-Museum gibt es auf Kuba – in Santiago de Cuba. Allerdings erfährt man darin nichts zum Thema Rum, aber viel über die Geschichte Kubas. Es wurde von Emilio Bacardí y Moreau, dem früheren Bürgermeister von Santiago de Cuba, gestiftet – mit Geldern aus der Rumproduktion.

Ach ja, eine Sache muss zum Schluss noch geklärt werden: Welcher Rum schmeckt nun besser – Bacardí oder Havana Club? Auf Nachfrage hält man sich in Deutschlands wohl berühmtester Bar, dem Schumann’s in München, eher bedeckt: „Wir verwenden verschiedenen Rum von verschiedenen Rumerzeugern, unter anderen auch [...] von Bacardí und Havana Club“, heißt es da diplomatisch. In Kubas bekanntester Bar, der Floridita in Havanna, wo schon Hemingway seinen Daiquirí trank, ist man da eindeutiger: Hier kommt nur echter kubanischer Rum ins Cocktailglas. Salud!

Außerdem wissenswert

Warum ziert eine Fledermaus die Bacardí-Flaschen? Zur Zeit der Gründung beherbergte die Destillerie eine Fledermauskolonie. Und weil Fledermäuse in der Mythologie der kubanischen Ureinwohner für Glück und Reichtum stehen, machte man dieses Tier kurzerhand zum Firmensymbol.

Das aktuelle Logo von Havana Club stammt aus den 1970er-Jahren. Es zeigt die Sonne, die auf die Insel scheint und ihren Rum so gehaltvoll werden lässt, und die Figur der Giraldilla, das Wahrzeichen von Havanna. La Giraldilla ist eine bronzene Wetterfahne in Frauengestalt, die sich über der ältesten Festung der Stadt, dem Castillo de la Real Fuerza, dreht.

Das Lied aus der Bacardí-Werbung von 1988 wurde 1991 noch einmal mit anderem Text und Titel von Kate Yanai (Summer Dreaming) aufgenommen – mit großem Erfolg.

Rum ist in Kuba schon fast zu einer eigenen Währung geworden – zumindest wenn man sich den Vorschlag Kubas ansieht, 276 Millionen Dollar Schulden, die das Land bei Tschechien noch aus Zeiten des Kalten Kriegs hat, mit Rum zu begleichen. Die Tschechen waren davon allerdings nicht begeistert – vielleicht, weil sie doch lieber Bier trinken?

Bacardí führt nicht nur Prozesse gegen Havana Club. Auch die Mitglieder der weitverzweigten Bacardí-Familie stehen sich immer mal wieder vor Gericht gegenüber – meist geht es dabei um Erbangelegenheiten. Zuletzt 2021: Monika Bacardí und ihre Tochter Maria Luisa klagen Gelder aus einem Liechtensteiner Trust ein, den ihr Mann bzw. Vater Luis Bacardí kurz vor seinem Tod für sie eingerichtet hat. Und da geht es um viel Geld, immerhin besaß Luis Bacardí sechs Prozent der Aktien des Unternehmens. Die Bacardí-Aktien werden übrigens nicht an der Börse gehandelt, sondern sind ausschließlich im Besitz der rund 500 Mitglieder der über den Globus verteilten Familie Bacardí.

Ursula L. Voss hat ein 230 Seiten starkes Werk über „Die Bacardís“ vorgelegt. Campus Verlag 2005.